Sonntag, 11. März 2012

Peak Car - kontra großflächigen Lebensmitteleinzelhandel

Fotograf: Renate65
www.piqs.de
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Lebensmittelkonzerne bauen bei der Versorgung der Bevölkerung auf autofahrende Kunden. Aber ist das Modell wirklich ein Zukunftsmodell oder nicht schon längst überholt?
Die Zukunft des Autos scheint derzeit wenig rosig zu sein: „Mein Auto haut mir die Globalisierung jeden Morgen um die Ohren. Aufstieg der Schwellenländer, Boom in China und Indien, steigende Ölpreise, Oligarchie der Mineralölkonzerne, also Tanksäule einsachtundsechzig; dann natürlich Iran böse, Nigeria schlimm und jetzt noch diese Sauerei mit den Ölsanden in Kanada.“  (Wolf-Christian Ulrich Einsachtundsechzig und kein Ende, The European Magazine, 28.02.2012)

Für den Edeka-Lebensmittelkonzern beispielsweise zählt jedoch noch immer der autofahrende Kunde. Danach hat er schließlich seit Jahren und Jahrzehnten sein logistisches Konzept ausgerichtet. Peak Oil war noch weit weg, an permanent steigende Bezinpreise und die Folgen wollte niemand denken. Dass ein auf Erdölpreise basierendes Lebensmittelversorgungs-Konzept anfällig ist und wegen der steigenden Kosten für die Nahrungsmittel zum Zusammenbruch der Nahversorgung führen kann, ist noch nicht bis in das Bewusstsein aller Planer und Entscheidungsträger vorgedrungen.
Die steigenden Erdöl-Preise werden nicht nur zu steigenden Preisen für Nahrungsmittel führen; unsere Mobilität wird sich deutlich verändern und dies wird Einfluss haben auf die Möglichkeiten, uns Nahrungsmittel zu beschaffen.

Die Aussicht auf steigende Ölpreise verändert unser Mobilitätskonzept.

Die Anzeichen für den "Peak Car" sind nicht zu übersehen: Die Verkaufszahlen für private PKW sinken. Nach Einschätzung von PwC Autofacts, dem Automotive-Institute der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC, wird der Neuwagenabsatz 2012 gegenüber dem Vorjahr um rund fünf Prozent sinken. Damit würde der europäische Gesamtmarkt im fünften Jahr in Folge schrumpfen. Europas Pkw-Markt befindet sich im Rückwärtsgang. (www.pwc.de, 23.02.2012).
Ein Blick auf die Euro-Krisenstaaten gewährt vermutlich einen Blick in die Zukunft, dort geht der Neuwagenabsatz laut PwC besonders deutlich zurück. Im Januar 2012 gab es bereits deutliche Absatzeinbußen in Italien (minus 16,9 Prozent), Portugal (minus 47 Prozent) und Frankreich (minus 21 Prozent).
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet 2012 mit einem spürbaren Rückgang der Neuzulassungen (www.wallstreetjournal.de, 04.03.2012). Um die Verkaufszahlen optisch zu verbessern, greifen Autohändler vielfach zu Tricks: So registrierten Branchenexperten im Februar 2012 "eine Vielzahl taktischer Zulassungen". Dabei melden Händler Neuwagen vorübergehend auf sich selbst an, um sie später als junge Gebrauchtwagen oder Tageszulassungen mit hohen Preisabschlägen zu verkaufen. Dies kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass der Privatmarkt "nach wie vor sehr schwach" ist.
"Die Verbraucher sind sehr verunsichert und wissen nicht, wie sich die Konjunktur weiterentwickelt. Deshalb haben wir die höchsten Rabatte seit fünf Jahren", sagte "Autoprofessor" Ferdinand Dudenhöffer (Pkw-Nachfrage in Deutschland kommt nicht vom Fleck, de.reuters.com, 2. März 2012). Die Automobilindustrie droht in die nächste Überproduktionskrise hineinzuschlittern, der Zweitwagen gerät aus der Mode.

"Das Auto ist von gestern – sagen immer mehr junge Deutsche."

Private PKW bekommen offenbar einen neuen Platz im Mobilitätskonzept insbesondere junger Menschen.
Noch knallen bei Öl-Multis und Autokonzernen die Korken, sagt Wolf-Christian Ulrich, aber sie übersehen einen Trend: "Das Auto ist von gestern – sagen immer mehr junge Deutsche." (Bewegung im Kopf, www.theeuropean.de, 19.01.2012)
Senioren, die stolz auf ihr Automobil und ihre Mobilität sind, werden sich dies kaum vorstellen können, aber "für junge Leute taugt das Automobil heute schon nicht mehr zum Angeben", schreibt Andreas Knie. Während das Auto für die ältere Generation vielfach ein Statussymbol war und ist, haben junge Leute andere und viel mehr Möglichkeiten zur sozialen Differenzierung. Zwar möchten sie weiterhin fahren, aber sie benötigen dafür kein privates Auto - Sharing ist in.  iPhone, iPad, Kleidung oder Reisen laufen dem Auto den Rang ab, und dabei spielt das Internet eine große Rolle. "Das Internet schleift kulturelle Unterschiede sehr schnell ab und schafft in rasanter Eile konvergente Lebensstile."
Die Anzeichen dafür, dass die Familienkutsche aus der Mode kommt, mehren sich nicht nur in den westlichen Industriestaaten, sogar in Peking und Shanghai seien diese Tendenzen bereits jetzt zu erkennen
"Was wir weltweit erleben, ist daher eine neue Deutung dessen, was wir Automobil nennen. Selbstbeweglichkeit bindet sich nicht mehr an ein einziges technisches Gerät, das unsere Väter noch vom Zigarettenautomat um die Ecke bis hin nach Italien zum Urlaub gefahren hat." (Bewegung im Kopf, www.theeuropean.de, 19.01.2012)

Umstieg auf den Rolli - früher oder später

Auch die Senioren, die heute noch mobil sind, werden die steigenden Kosten für das Auto irgendwann nicht mehr aufbringen können. Unabhängig von den Benzinpreisen werden sie irgendwann auf den "Rolli" umsteigen und zu Fuß gehen müssen – von Vormholz oder Durchholz drei oder mehr Kilometer zu Fuß nach Herbede? Das ist unrealistisch.
Ein zukunftsorientiertes Versorgungskonzept setzt nicht primär auf Autofahrer!
Zurzeit entstehen neue Nahversorgungskonzepte, die auch für die Herbeder „Hölzer“ in Frage kommen. Es wäre eine Pflicht der Verwaltung, sich darum zu kümmern! Die Voraussetzung für den Erfolg solcher Konzepte ist, dass dem unsinnigen Flächenwachstum an zentrierten Stellen, wie beispielsweise in Herbede, Einhalt geboten wird!

Eine moderne Nahversorgungskonzeption nimmt für die Planung nicht nur auf die demografische Entwicklung, sondern auch auf die Änderungen im Mobilitätskonzept Rücksicht - oder sie ist nicht modern, sondern, wie bei der Wittener Parteien, SPD, CDU, Bündnis90/DieGrünen und der Wittener Bürgergemeinschaft (WBG), die Bürger von einer Mitwirkung ausgrenzen, von gestern.

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