Sonntag, 6. Mai 2012

Ikea-Homepark Wuppertal

Ob Stuttgart, Oberhausen, Duisburg, Werl, Wuppertal oder Herbede - der Aufrüstungswahn lässt grüßen.
Kreis gegen Kreis, Stadt gegen Stadt, und sogar Stadtteil gegen Stadtteil innerhalb einer Stadt, Herbede gegen Heven, und, die absolute Krönung, Ortsteil Herbede-Ort gegen Ortsteil Herbede-Vormholz.

Im Größenrausch

Dietmar Bell, Landtagskandidat der SPD für Wuppertal, sagte in einem Interview mit der Westdeutschen Zeitung zum Thema Ikea-Homepark in Wuppertal:

"Ich glaube, dass Ikea kommt, weil wir Ikea brauchen. Eine deutliche Mehrheit der Wuppertaler will Ikea, und ich bin weiterhin optimistisch." (WZ, 27.04.2012)
Die Planungen um den 115.000qm großen IKEA-Homepark in Wuppertal-Nord schreiten voran, meldete der WDR am 21.03.2012: "Faktisch wird mit einem Homepark-Konzept des Investors IICG ein zusätzliches eigenes Stadtzentrum im Wuppertaler Norden entstehen: Knapp 50.000qm zusätzliche Ladenfläche in der Region erhitzen die Diskussion um den Einzelhandel: Brisant, denn die Auswirkungsanalyse durch das Gutachterbüro GMA zeigt, dass nicht nur Wuppertal, sondern gerade auch der EN-Kreis sowie Ruhrstädte, betroffen sein werden."

In der Kritik steht nicht nur der eigentliche IKEA-Markt, sondern auch der sog. “Homepark”. Dort würden auf 25.000 qm Unterhaltungselektronik, Porzellanwaren, Hausrat, Glas, Haus- und Heimtextilien oder auch Sportartikel vertrieben. Anbieter dieser Sortimente in den Innenstädten von Sprockhövel und anderen Kommunen des Ennepe-Ruhr-Kreises könnten durch die Konkurrenz in Wuppertal erhebliche Umsatzeinbußen erleiden, befürchtet man im EN-Kreis. (Positionspapier, rat.ennepetal.de)
Quelle: Positionspapier Rat Ennepetal
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Unterstützung findet Bell dagegen beim Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Wuppertal, dessen einfache Rechnung lautet: "Nur 42 Prozent des Möbelbedarfs werden in Wuppertal gedeckt. Pro Jahr fließen über 65 Millioen Euro ins Umland. Hinzukommen weitere massive Kaufkraftabflüsse." Ikea und das Fachmarktzentrum bieten "die einmalige Chance, Kaufkraft in Wuppertal zu sichern und Angebote bereit zustellen, die die Region bisher nicht bietet." (Dr. Ralf Volmerig, Ikea ist eine Riesenchance!, 04/12)

Auf die Chancen, über Angebotsgestaltungen Einfluss zu nehmen, so dass die Innenstädte nicht beeinflusst werden können, hätte ihm der Wittener Stadtbaurat Dr. Markus Bradtke dieselbe Antwort geben können, die er der CDU und den Grünen auf Nachfrage am 15.03.2012 gegeben hat: Das ist ausgeschlossen.
Aber wer dies nicht hören will, hört es eben nicht: Der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Wuppertal steht auf dem Standpunkt: "Beim Fachmarktzentrum ist das Angebot so zu gestalten, dass Kaufkraftveränderungen, die es ohne Zweifel geben wird, die Entwicklung der Innenstädte nicht beeinträchtigen. Dieses wollen Stadt und Ikea sicher stellen." Die Nähe zu dem Auftraggeber ist unverkennbar, denn wie kann der Geschäftsführer einer Wirtschaftsförderung Einfluss auf strategische Überlegungen eines Konzerns nehmen, wenn er dort nicht die Entscheidungsbefugnis hat?

Für wen ist Ikea also "eine Riesenchance"? Für nur 300 neue Arbeitsplätze, die der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Wuppertal in Aussicht stellt, werden wieviele Arbeitsplätze im Einzugsbereich Ikeas gefährdet? Bei einem "klaren Ja zu Ikea“ interessiert diese Rechnung offenbar nicht.

Auch Witten wird Kaufkraft an Wuppertal verlieren. Herbede liegt weniger als 20 km vom geplanten Mega-Zentrum entfernt. Der Streit um die Vergrößerung eines Lebensmittelsupermarktes von 700 Quadratmeter im gewachsenen Herbeder Zentrum auf 1.200 Quardatmeter außerhalb des Zentrums Herbede, wodurch nach Ansicht der Befürworter "Kundenströme" nach Herbede gelockt werden (SPD, "Sackträger", April 2012), wirkt absurd und lächerlich. Dieser geringfügig größere Supermarkt wird dafür sorgen, dass das gewachsenen Zentrum stirbt und die Befürworter der Ansiedlung dennoch nicht davon abhalten, in das bequem zu erreichende Mega-Zentrum nach Wuppertal zu fahren.

Bürger fordern überall Gehör

In einem Leserbrief  zum Interview mit Dietmar Bell (SPD) heißt es: "Warum zählen für Entscheidungsträger und Investor kritische Stimmen und konstruktive Vorschläge nicht? Warum werden Daten und Fakten nicht öffentlich und wirklich ergebnisoffen diskutiert? Warum suchen wir nicht gemeinsam die beste Lösung? Gegen die Aussage „Die Mehrheit der Wuppertaler will IKEA.“ steht das Ergebnis der WZ-Umfrage, ob der IKEA-Homepark an den - alternativlos bestimmten - Standort W-Nord soll. „Die Mehrheit der Wuppertaler will IKEA n i c h t in W-Nord.“ Von 1.300 Abstimmenden können sich 64% dies nämlich weniger gut vorstellen. Von 1.200 Befragten der Forsa-Umfrage befürworten 67% das Projekt. Und nun???" (WZ, 27.04.2012)

Anlässlich der Standortfrage "(Kein) IKEA auf dem Gelände der Hausausstellung" ist die Bürgergemeinschaft leben wuppertal-nord e.V. gewachsen. LEBEN soll verdeutlichen, heißt es auf der Homepage der Initiative, dass mit dem Begriff nicht nur ein „Interesse“ vertreten wird. "Wir wollen uns ent­schieden gegen weitere Einschränkungen unserer Lebens­qualität im Wohnbereich Wuppertal-Nord wenden:
Durch den bisherigen Verkehr (Autobahnen A46, A1, A43/ Autobahn­kreuz und Bundesstraße) sind wir bereits dauerbelastet. Das heißt für uns: Wir sprechen uns gegen weitere Immissionen durch stark erhöhtes Verkehrs­aufkommen aus."

Wie sich die Ereignisse doch gleichen! Und überall bildet sich Widerstand gegen Größenwahn, Umweltzerstörung und Zerstörung vorhandener Infrastrukturen. Aber ist er stark genug, schnell genug? Gibt es überzeugende Konzepte gegen die Marktmacht und das Vordringen der Investorengruppen und Konzerne?

Innenstädte stärken kontra Flächenwachstum 

Eine passende Antwort auf den Aufrüstungswahn könnten die Sozialdemokraten auch in ihren eigenen Reihen finden, wenn es ihnen denn nur gelänge, hinzuhören und den Sinn der Worte zu verstehen:

Dr. Arnim Brux,Landrat des Ennepe-Ruhr-Kreises, zum Thema Ikea-Ansiedlung in Wuppertal:

Innenstädte stärken – ruinösen Wettbewerb verhindern!

Die Stärkung der historisch gewachsenen Innenstädte ist ein Ziel, das politisch breit getragen wird. Nicht umsonst investieren Bund, Land und Kommunen jedes Jahr hohe Millionenbeträge in die Aufwertung und Sanierung unserer Ortszentren. Diese öffentlichen Investitionen stärken zugleich den ortsansässigen Einzelhandel, der seit jeher eine Schlüsselrolle für die Lebendigkeit und Funktionsfähigkeit unserer Ortskerne und Innenstädte besitzt. Durch die Genehmigung großflächiger Einzelhandelsvorhaben „auf der grünenWiese“ wird diese Zielsetzung konterkariert. Ein Ikea-Homepark am Autobahnkreuz Wuppertal-Nord, direkt an den Stadtgrenzen zu Schwelm und Sprockhövel, gefährdet den Einzelhandel der Städte im Ennepe-Ruhr-Kreis. Allein mit seinem zentrenrelevanten Randsortiment erzielt ein Ikea-Möbelhaus rund 25 Millionen Euro Umsatz jährlich. Dies ist mehr, als in diesen Segmenten in Sprockhövel, Schwelm und Gevelsberg insgesamt erzielt wird. Noch bedeutsamer dürfte allerdings der Kaufkraftabfluss sein, der durch das Fachmarktzentrum entstehen würde. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Dies sollte bei alltäglichen Produkten in den zentralen Versorgungsbereichen unserer Innenstädte geschehen, die in der Regel auch ohne den privaten PKW gut erreichbar sind und eine hohe Aufenthaltsqualität bieten."

Quellen und weiterführende Materialien:

Edith Winkelmann

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